Was bedeutet Hyperthermie?Das Wort Hyperthermie stammt aus dem Griechischen und bedeutet Überwärmung (hyper = viel, mehr und thermos = Wärme).

Im medizinischen Bereich wird dieser Begriff für künstliche Temperaturerhöhung in bestimmten Regionen des Körpers oder auch im ganzen Körper gebraucht. Diese Möglichkeit wird zu therapeutischen Zwecken genutzt.

Welchen Ursprung hat die Hyperthermie?

Vor über 100 Jahren beobachtete der amerikanische Chirurg Cooley, dass die Tumoren einiger seiner Krebspatienten schrumpften, wenn sie heftiges Fieber aufgrund eines Infektes entwickelten. Er entwickelte daraufhin das Cooley-Toxin, einen fiebererzeugenden Impfstoff. Daraufhin wurde er mit dem Verlust seiner Zulassung als Arzt bestraft, obwohl er nur das fortsetzte, was schon Ärzte der Antike beobachtet hatten.

Die Entdeckung Cooleys war aber Ausgangspunkt zahlreicher Versuche, im menschlichen Körper Wärme zu erzeugen. Diese Versuche dauerten bis in die 80er Jahre dieses Jahrhunderts. Dann gelang es einigen Firmen in Europa und den USA, effiziente und sichere Hyperthermiemaschinen zu entwickeln und klinische Studien zu etablieren.

Arten der Hyperthermie

Man unterscheidet im wesentlichen folgende Arten der Hyperthermie, die entsprechend dem jeweiligen Krankheitsbild des Patienten angewendet werden können:

  1. Regionale Tiefenhyperthermie
  2. Ganzkörperhyperthermie
  3. Intrakavitäre Perfusionshyperthermie
  4. Oberflächenhyperthermie
  5. Prostatahyperthermie

1. Regionale Tiefenhyperthermie

Die regionale Tiefenhyperthermie erzeugt durch Ausstrahlung von nicht radioaktiven elektromagnetischen Wellen, meist im Mikrowellen- oder Radiofrequenzwellenbereich, in der Tiefe des menschlichen Körpers eine Erwärmung von Krebsgeschwülsten auf Temperaturen von 42 – 45°C.

Hierbei kommt es zu einer nahezu selektiven Erwärmung des Tumors. Umgebendes gutartiges Gewebe wird in der Regel nur unwesentlich um 1 – 2°C erhöht.

Schädigungsmechanismen am Tumor sind:

  • Sauerstoffarmut (Hypoxie)
  • Übersäuerung (Azidose)
  • Energieverlust (Katabolismus)

Hinzu kommt eine deutlich verschlechterte Thermotoleranz des Tumors, d. h. die Fähigkeit, überschüssige Wärme abzuleiten, sodass eine zusätzliche thermische Schädigung des Tumors auf vielen Ebenen resultiert.

Gestört wird der Tumor in seiner Kernteilung (Mitose). Weiterhin wird das Zellskelett und insbesondere die Zellmembranen in ihrer Funktion gestört, sodass das eine zusätzliche Schädigung des Tumors auf vielen Ebenen resultiert. Weiterhin werden das Zellskelett und insbesondere die Zellmembranen in ihrer Funktion gestört, sodass das Spannungspotential von Blutsalzen (Elektrolyte) in der Krebszelle nicht mehr aufrecht erhalten werden kann.

Der Vorteil der Hochfrequenz-Tiefenhyperthermie ist ihre hohe Selektivität und ihre sehr geringe Nebenwirkungsrate, vor allem das völlige Fehlen von chronischen oder dauerhaften Folgeschäden, wie sie oft nach Bestrahlung und Chemotherapie auftreten.

Eine nachprüfbare Tiefenhyperthermie wird kontrolliert durch Temperaturmeßsonden, die sowohl in den Tumor, auf die Haut, als auch in Körperhöhlen in der Nähe des Tumors appliziert werden können. Dem gegenüber stehen bis zu 70% Nebenwirkungen durch
die Temperaturmeßsonden (Infektion, Blutung, Perforation, Schmerzen), sodass im klinischen Alltag die Compliance (Toleranz) des Patienten gegen eine Wissenschaftlichkeit abgewogen werden müssen, solange mittels Magnetresonanz eine indirekte Temperaturmessung noch nicht möglich ist.

Die Tiefenhyperthermie erfordert ein hohes know-how sowie die permanente Überwachung durch einen Arzt und Medizintechniker, um ein optimales Ergebnis zu erzielen.

Die Zukunft der Tiefenhyperthermie wird darin liegen, für jeden Tumor die eigene „Zerstörungsfrequent` zu finden und die immunologischen Effekte der regionalen Tiefenhyperthermie zu verstehen und auszunutzen.

Weltweit erfolgen derzeit zahlreiche Studien zur Hyperthermie und ergänzender Verfahren, schwerpunktmässig in den Niederlanden, Deutschland und Frankreich.

Anwendungsbereiche der regionalen Tiefenhyperthermie

Eine eindeutige Wirksamkeit konnte bei folgenden Tumorleiden belegt werden:

  1. Bindegewebstumoren (Sarkome) verschiedener Lokalisation
  2. inoperable Lokalrezidive nach Mammakarzinom und HNO-Karzinom
  3. inoperable Beckentumoren nach Genitalund Enddarmkrebs

Melanom-Metastasen Eine vermutliche Wirksamkeit in Verbindung mit Chemotherapie liegt vor bei:

  1. Magenkrebs
  2. Pankreaskrebs
  3. Gallenblasen- und Gallenwegskrebs
  4. Leberzellkrebs

Nierenzellkrebs Eine alleinige Wirksamkeit besteht bei:

  1. Rippenfellkrebs (Pleuramesotheliom)
  2. Hirntumor (Glioblastom)

Studien zum Bronchialkrebs, insbesondere vom nicht kleinzelligen Typ, sind bisher nicht erfolgt. Allerdings sprechen zahlreiche Einzelbeobachtungen (Kasuistiken) dafür, dass der Lungenkrebs aufgrund seiner schlechten Blutversorgung in der Regel auf Chemotherapie kaum anspricht. Bessere Chancen bestehen oft bei einer Kombination von Hyperthermie und Chemotherapie bzw. Strahlentherapie. Interessant ist auch die in Japan und Taiwan gemachte Erfahrung der alleinigen Wirksamkeit der Tiefenhyperthermie, u. a. an Tumoren, die keine Metastasierungsneigung zeigen (Glioblastome, Mesotheliome). Neben den o. g. Hyperthermie-eigenen Destruktionsmechanismen führt die Gensequenzaktivierung und Induktion von Hitzeschockproteinen der 70er Dalton-Klasse zusammen mit der IL-2 bedingten Akkumulation von Natural-Killerzellen zu einem verstärkten immunologischen Angriff auf die Tumorzellmembran.

2. Ganzkörperhyperthermie

Einen wesentlichen Fortschritt in der Tumordestruktion stellt die systemische extreme Ganzkörperhyperthermie (Temperaturmaximum 42°C, Plateau 41,7°C über 3 Stunden) dar, wenn aus verschiedenen Gründen (Anatomie, diffuse Metastasierung, große Tumorlast etc.) eine regionale Tiefenhyperthermie nicht ausreichend ist.

Unter Sedierung (nicht Narkose!) und Hyperglykämie-bedingter Tumorübersäuerung, mit und ohne Chemotherapie, kann diese Therapieform zu einer lang anhaltenden Remission auch großer und therapieresistenter Tumormassen führen.

Anwendungsgebiete der Ganzkörperhyperthermie

Die Ganzkörperhyperthermie wird insbesondere bei folgenden Tumorleiden angewandt:

  1. vorbehandeltes, disseminiertes Mammakarzinom
  2. hormonrefraktäres Prostatakarzinom des jüngeren Mannes
  3. Melanom (Metastasen)
  4. primäres Leberzellkarzinom
  5. ausbehandeltes Ovarialkarzinom 6. G3/4- Sarkome
  6. disseminiertes Magenkarzinom

3. Intrakavitäre Perfusionshyperthermie

Diese Art der Hyperthermie wird für die Behandlung von Metastasen in Hohlräumen, wie z. B. dem Bauchraum oder der Blase angewandt. Dabei wird der Bauchraum mit einer 45°C heißen Flüssigkeit, der Zytostatika beigegeben wird, durchspült. Die zwischen Becken und Zwerchfell auf dem Bauchfell verstreut liegenden Metastasen können so umspült werden.

Anwendungsgebiete der Intrakavitären Perfusionshyperthermie

  1. Befall des Bauchfells (Peritoneum)
  2. Karzinome des Darms, des Magens, derUnterleibsorgane mit Bauchfellmetastasen
  3. tumorbedingte Wasseransammlungen imBauchraum
  4. Harnblasenkrebs (falls inoperabel)

4. Oberflächenhyperthermie

Diese Form wird mit speziellen Infrarot- Strahlern bei Geschwulsten angewandt, die in der Haut oder dicht darunter liegen.

Anwendungsgebiete der Oberflächenhyperthermie

  1. befallene Lymphknoten
  2. Hautmetastasen
  3. Melanome
  4. Rezidive im Operationsgebiet (z. B. bei Brustkrebs)

5. Prostatahyperthermie

Dabei wird ein Katheter in die Harnröhre eingeschoben, so dass ein Mikrowellenstrahler direkt an die Prostata kommt. Das Tumorgewebe kann auf 43°C und mehr erwärmt werden. Man spricht auch von einer Thermotherapie.

Anwendungsgebiete der Prostatahyperthermie

  • gutartige und bösartige Wucherungen der Vorsteherdrüse
  • chronische Prostataentzündung (Prostatitis)

Noch weitgehend unberücksichtigt in der Wirkung der Hyperthermie sind ihre immunologischen Effekte.

Diese erfolgen zum einen über die Produktion der Stress- oder Hitzeschockproteine, zum anderen über die vermehrte Sekretion zahlreicher Zytokine (Botenstoffe des Immunsystems) mit Aktivierung von zytotoxischen Thymus-Lymphozyten, Killerzellen und Makrophagen (Fresszellen) in der Tumorregion.

Hitzeschockproteine entstehen übrigens nicht durch wärmebedingte Denaturierung, sondern durch Anschalten von Genabschnitten, wie auch bei Stress und Infektionen. Sie sind ambivalent zu sehen: sie schützen den Tumor vor der Hyperthermiewärme durch eine Thermoresistenz, indem sie sich wie ein Isolator um den Tumor versammeln, zum anderen verzögern die Hitzeschockproteine der 90er Klasse über den Kortisonmechanismus das Immunsystem. Zusätzlich wird aber die 70er Klasse der Hitzeschockproteine massiv stimuliert, und das scheint unter dem Strich der entscheidende immunologische Mechanismus zu sein.

Hyperthermie als ergänzende Behandlungsmethode

Die Hyperthermie kann sich in idealer Weise mit einer Bestrahlung oder Chemotherapie ergänzen, d. h. Bestrahlung und Chemotherapie können in ihrer Wirkung enorm verstärkt werden, ohne dass die Nebenwirkungsrate ansteigt. Das wiederum führt zu einer geringeren Toxizität von Bestrahlung und Chemotherapie und dazu, dass sonst strahlen- und chemotherapieresistente Tumorgeschwülste auf die Kombination ansprechen.

Die elektromagnetisch induzierte Tiefenhyperthermie als auch Infrarot-Abedingte Ganzkörperhyperthermie stellen sinnvolle und effiziente Bestandteile einer ganzheitlichen Onkologie dar, da sie ein Bindeglied zwischen den toxischen, rasch wirkenden Methoden der klassischen Medizin (Chemotherapie, radioaktive Bestrahlung) und der komplementären Onkologie (Immunologie, biologische Tumorstase) sind, und sich dem Anspruch einer Tumorregression bei Erhaltung der Lebensqualität nähern.

Nebenwirkungen

An Nebenwirkungen der Hyperthermie ist lediglich eine leichte Körpertemperaturerhöhung während der Behandlung zu nennen, gelegentlich auch die Entwicklung von reversiblen Hautveränderungen im Sinne von Granulomen im Unterhautfettgewebe. Die Hyperthermie ist im allgemeinen eine gut verträgliche Therapie.

Kostenerstattung

Die Hyperthermie gehört noch nicht zu den Regelleistungen der Krankenkassen. Von den privaten Krankenkassen werden häufig die Kosten übernommen. Die gesetzlichen Krankenkassen handeln unterschiedlich. Klären Sie die Kostenfrage grundsätzlich vorher.